Der Isolant – Ein Leben in der Warteschleife – letzter Teil

„ACHTUNG, … selbst für den Fall, ich langweile Euch, ich muss mich wiederholen, ich will keine Missverständnisses: Wieder ist ALLES nur FIKTION, NICHTS entspricht der WAHRHEIT! Alle Personen und die Handlung sind erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden Personen wären daher rein zufällig!“

letzter Teil

10.

Eine Zeit lang stand immer derselbe Zusteller vor meiner Tür. Ein großer, schlaksiger Mann, eingefallenen Augen, kurzen blonden Haaren, blassem Gesicht und Headset. Irgendwann kam er nicht mehr. Warum, ich weiß es nicht, weil ich nie ein überflüssiges Wort mit ihm wechselte. Irgendwann erlebte ich, zu meiner eigenen Überraschung etwas wie Freude wenn ich ihn sah. Einmal wollte ich ihn fragen, wie es ihm geht. Aber dann war er weg. Kam einfach nicht mehr.

Während alles unverändert immer weiter ging, hangelte ich mich durch die Veränderung der Statusmeldungen. Die einzigen Veränderungen, die mir wichtig waren. Denn sie zeigten den Fluss der Sendungen.

Was aber, wenn dieser Fluss abbricht?

11.

Zuhause angekommen, sah ich, das mein Rechner noch an war. Ich wackelte mit der Maus und checkte die Statusmeldung: „Wir werden einen weiteren Zustellversuch durchführen!“ 

Es war zum Verzweifeln!

„Morgen ist Samstag!“, dachte ich. Ich werde es nicht vermasseln. Ich werde meine Sendung entgegennehmen. Ich werde wie dieser Buddha sein, wie die Alte auf ihrem Klappstuhl. Ich werde sitzen, warten und auf das eingerahmte Foto von K & K starren. K & K waren die, die alles möglich machten. Das genetische Upgrade, die Transformation, die neue Ordnung- da wo das Böse von dem Guten schön voneinander getrennt existiert. Da wo die Bösen in die Gen-Upgrade-Verweigerer-Ghetto gesteckt wurden, den GUVGs und die Guten in brüderlicher Verbindung mit dem World Wide Web und der KKDHT-Church koexistieren.

Ich werde warten bis ich die Sendung in meinen Händen halte. Denn dann ist alles gut!

12.

Ich packte die Lebensmittel in die Schränke, kochte eine Suppe und versuchte mich zu beruhigen. Vor mir im Teller schwammen in der Brühe kleine Nudeln als Buchstaben. Beim Essen versuchte ich mit dem Löffel, die Buchstaben zu Worten zusammen zu fügen. Ich entdeckte Kombinationen und fremde Bedeutungen. Ich sah Antworten auf merkwürdige Fragen die wie zufällig in der Brühe auftauchten und wieder verschwanden. Das kleine B auf meinem Löffel verschwand als Informationseinheit in meinen Mund.

Es wäre doch denkbar, dass wir über verborgene Kanäle Informationen erhalten, die uns von innen beeinflussen. Was, wenn all die Wünsche, die ich habe oder nicht mehr habe über unbekannte Kanäle in mich eingedungen sind? Was, wenn das B, das ich gegessen habe, in mir einen Prozess startet? Was, wenn Informationen Viren sind?

Ich kann diese Botschaften nicht entschlüsseln. Vielleicht weil ich nicht über nötigen Administrationsrechte verfüge.

 Ich bin Schrödingers Katze, die Katze die nicht weiß, ob sie tot oder lebendig ist.

13.

Vielleicht sitzt die Alte garnicht aus finanziellen Gründen jeden Tag auf ihrem Klappstuhl?

Blitzartig kam mir der Gedanke. Was, wenn es keine Frau, im Grunde nicht mal ein Mensch ist. Es könnte doch sein, dass sie in Wirklichkeit ein Interface, die Schnittstelle zu einer Datenwolke ist. Sie hackt und infiziert uns mit virulenten Programmen?

Nachdem mir das alles zu schwindelerregend wurde, ging ich zu meinem Wandschrank und zog einen Ordner aus dem Regal. Denn ich hatte es mir zur Aufgebe gemacht, alle Bestellungen auszudrucken und sie in einen Ordner nach Datum sortiert abzuheften. Mittlerweile hatte ich eine stattliche Anzahl an Ordnern mit Bestellformularen und Sendungsverfolgung in meinem Regal stehen.

Zusätzlich zu meinem Keller musste ich die Hausverwaltung dazu überreden mir noch zwei weitere Keller für einen fairen Preis zur Verfügung zu stellen. Warum? Um die Menge an Bestellungen lagern zu können. Schließlich ging es nicht um die Dinge, sondern darum, das System und somit unsere KKDHT-Church am Leben zu erhalten! 

Tatsächlich bin ich kein Konsument oder Verbraucher, ich bin die systemerhaltende Subroutine.

14.

Meine wasserdichte Quarz-Uhr zeigte exakt 23 Uhr und 42 Minuten. Es war Freitag Nacht und ich saß in meiner Küche. Ich war damit beschäftigt, Zahlen zu Blöcken mit je acht Zeilen und Spalten in willkürlicher Reihenfolge auf einen A5 großen Bogen Papier aufzuschreiben 

Ich fischte einen Beleg aus einem Schuhkarton heraus und klammerte ihn an den A5 Papierbogen, umkringelte einige Ziffern mit gelb und legte es alphabetisch sortiert in einer Schublade ab.

Seit einiger Zeit sehe ich eindeutige Zeichen der bevorstehenden Singularität, der Verschmelzung des binären-Raum-Maschinen-Kosmos mit meinem biologischen Quellcode. Aber bis es soweit ist, müssen viele Bestellungen abgewickelt werden. Ich gibt in meinem Keller noch Platz.

15.

Morgen steht mir der ultimative Tag bevor. Der Tag der Zustellung. Nichts wird dazwischen kommen. Alles wird reibungslos und planmäßig ablaufen. Alle Ereignisse werden sich an einem exakten Zeitpunkt überschneiden. Dann wird folgendes geschehen:

1. Der Zusteller wird läuten.

2. Er wird die Treppe nach oben kommen und mir das Paket übergeben. 

3. Der Scanner wird meine Unterschrift aufzeichnen und akzeptieren. 

4. Die aktualisierten Daten werden die Statusmedung auf „Zugestellt“ schalten. 

5. Wir werden uns einen guten Tag wünschen!.

6. Es wird ein guter Tag werden und alles wird einen Sinn ergeben.

16.

Die Nacht war entsetzlich. Seit meinem letzten genetischen Uporade wache ich regelmäßig schweißgebadet auf, mein Körper zittert und mir ist schwindelig. Aber es wird schon alles in Ordnung sein. Die KKDHT-Church macht keine Fehler.

Ich träumte von einem Gnom mit Glatze, roter Arbeitslatzhose und Clipboard. Der Gnom stand vor meiner Wohnungstür. In seiner Brusttasche steckten gelbe Kugelschreiber. Es verging eine Ewigkeit. Dann sagte er: 

„In Deinem System wurde ein Fehler gefunden, es besteht aber die Aussicht,“ dann klopfte er mit dem Kugelschreiber auf das Clipboard. Das Klopfen machte ein entsetzliches Geräusch.

„Es besteht noch die Aussicht, dass wir Dir ein Upgrade verpassen. Allerdings kann das zu einem Totalausfall, einer Kernel-panic führen!“.

Der Gnom schrumpfte, dann lag ans einer Stelle ein Sprengsatz vor mir und ich hielt plötzlich den Fernzünder in meiner Hand.

Dann sollte ich die Bestellung quittieren. Aber es war kein Scanner sondern der Fernzünder. Ich sagte, „Soll ich mit Sprengstoff quittieren?“, Ich versuchte den Knopf zu drücken, aber meine Hand bewegte sich nicht. 

Dann tauchte die alte Frau mit Putzeimer auf. Sie kam die Treppe hoch, völlig außer Atem und sagte:, „Mach Dir kein Kopf, der Fehler wird rausgeholt!“,

Ich bekam Angst, dass sie in den Flur kotzt. Und was Bitteschön wird rausgeholt? Dann war ich in der Küche, um das Fenster zu schließen. Aber es gab keine Fenster nur Schalter.

Die Transformation geht mit bizarren Ereignissen einher, allesamt mental.

Wo gehobelt wird, fallen Späne!

17.

Damit bei der Zustellung nichts mehr schief gehen konnte überprüfte ich sicherheitshalber die Gegensprechanlage. Nahm den Hörer ab, klopfte ihn gegen die Wand und lauschte in die Muschel. Nur ein Rauschen. Es wird passieren, was passieren muss. Das war beruhigend. Danach schaltete ich den Rechner an und wartete bis er hochfuhr.

Bald werden alle digitalen Geräte und Einheiten um uns herum die Wünsche und Befehle der KKDHT-Church an uns telepathisch weiter leiten. Maschinen, die aussehen wie Menschen, werden dafür sorgen, dass wir den Wünschen und Befehlen gehorchen. Es werden magische Maschinen sein. Die Kreuze der Kirchen werden Halbleiterchips sein. Näher kann man Gott nicht kommen!

18.

Ich öffnete die Internetseite des Paketdienstes: „Die Sendung befindet sich in der Zustellung.“

Die Variationsmöglichkeiten der Statusmeldungen sind begrenzt. Trotzdem rief ich sicherheitshalber die Hotline an, nichts durfte dem Zufall überlassen werden. Wieder drückte ich mich durch das Menü. Die Roboter-Frauenstimme führte mich freundlich wie immer durch das Sprachdialogsystem.

„Herzlich willkommen bei…, um unsere Service Qualität zu verbessern, zeichnen wir in Einzelfällen das Gespräch auf, wenn Sie damit nicht einverstanden sind, drücken Sie die zwei …, um den Status ihrer Lieferung zu erfahren drücken Sie die vier. Ihre Lieferung wird zwischen 9 und 20 Uhr zugestellt, genauere Angaben sind aus technischen Gründen leider nicht möglich, wir bitten um Ihr Verständnis.“

Ich beendete das Gespräch ohne mich zu verabschieden. 

Maschinen legen keinen Wert auf Höflichkeit. Ich ging zum Fenster und schaute auf die Straße. Eine Frau auf einem Fahrrad stand an der Ampel im Regen und wartet auf grün. 

Ich setzte ich mich auf einen Klappstuhl in den Flur und guckte auf das eingerahmte Foto von K & K, ihre strahlenden Gesichter lieferten den Beweis dafür, dass alle Fragen beantwortet wurden und schon alles seine Richtigkeit hat. Warum also Zweifeln?

Nachdem ich eine halbe Stunde so da saß, läutete unerwartet das Festnetztelefon. 

Aus unbekannten Gründen besitze ich noch einen Festnetz Anschluss. Ich nahm den Hörer ab.

Eine Katja Engels von einer unbekannten Buchhaltungszentrale war am anderen Ende zu hören. Es ging um eine Angelegenheit, die, wenn sie nicht auf der Stelle erledigt wird, einer Rechtsabteilung übergeben werden muss.

Das klang bedrohlich. Ich erkundigte mich, um welche Forderung es sich dabei handelt und wer ihr Auftraggeber sei. Darüber dürfe sie mir keine Auskunft geben und legte auf. 

Während ich den Hörer noch am Ohr hielt, überlegte ich, ob die Geräusche am anderen Ende echt oder vom Band waren. Automat oder lebendig. Aber was ist schon lebendig? Vielleicht die Spatzen im Baum.

Ich setzte mich wieder auf den Klappstuhl und starrte auf K & K.

19.

Wahrscheinlich hat sich die Statusmeldung seit Stunden nicht verändert. Nichts hatte sich verändert. 

Gut Ding will Weile haben! Wen kümmert es, ob dabei Stunden, Tage oder Wochen vergehen?

Das wichtigste ist, dass die Sendungen auf dem Weg sind. Und ich auf einem Klappstuhl sitze.

Das System muss am Laufen bleiben.

Die schützende Hand der KKDHT-Church wacht über alle Prozesse. Das ist beruhigend.

Sie sorgt für meine Transformation. 

Sie sorgt für meine Optimierung. Ich werde zur Mensch-Maschine.

Aber irgend etwas, vielleicht war es der Anblick dieser Alten oder die Assoziation mit diesem Buddha, hatte einen Schlüssel in das verbotene Schloss gesteckt. Und langsam aber stetig drehte sich dieser Schlüssel und öffnete eine Tür einen Spalt weit. 

Etwas hackte mein Bewusstsein mit einem äußerst bösartigen Gedanken.

Es war ein kleiner aber sehr zersetzender Gedanke:

„Was, was wenn ich am Ende feststelle, das etwas Grundlegendes nicht stimmt, was, wenn etwas falsch ist?“

 

Ende

Der Isolant – Ein Leben in der Warteschleife

Der Isolant – Ein Leben in der Warteschleife – Teil 2

5 Kommentare

Eingeordnet unter Bildung, Freiheit, Gedankenkontrolle, Gleichnisse, Lustiges, Manipulation, Medien, Menschen, NWO, Philosophie, Technik, Weisheit, Wissenschaft

5 Antworten zu “Der Isolant – Ein Leben in der Warteschleife – letzter Teil

  1. mpscotty

    Yuval Harari spricht so selbstsicher, er scheint keine Zweifel dabei zu haben, das es so kommen wird. Ich denke, das meiste Geld verdient er mit seiner Selbstsicherheit, einfach damit, dass er sagt, „So ist es!“,

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  2. Hararis Vorteil ist, dass er mit Rückendeckung der Kabale, zumal voll die Agenda, spricht… 😉

    Demnächst kommt dazu noch was grösseres im Zusammenhang mit der SEL-Agenda. Entwurf steht schon… mehr dazu dann – wann auch immer dann sei (vermutlich 2.4.)… 😉

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  3. mpscotty

    Meinst Du: „Social Emotional Learning“?

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