Wenn ein Historiker und Politologe vorausschaut, kann das ganz interessant sein. Zur besseren Verdaulichkeit haben wir mehrere Portionen draus gemacht – heute die zweite davon. 😉
Und nochmal: bevor man die Sichtweise Fursows bewertet oder ablehnt, sollte man sehen, was daraus Interessantes und Nützliches entnommen werden kann.
© für die Übersetzung aus dem Russischen by Luckyhans, 15.1.2017
—————————-
Die Welt der Zukunft – Teil 2
Autor – Andrej Fursow
3. Damit Rußland (und wir gemeinsam mit ihm) in der entstandenen Situation überlebt, ist es notwendig, die äußeren Angriffe abzuwehren.
Es ist bekannt, daß wenn ein Hund mit einem Knüppel geschlagen wird, dann muß dieser, um sich zu retten, nicht in den Knüppel und auch nicht in die Hand, sondern in die Gurgel desjenigen beißen, der den Knüppel hält. Um also diese Gurgel zu finden, muß man sich recht gut die Struktur der modernen Welt vorstellen können und die Kräfte kennen, welche da am wirken sind – und wo sie zu finden sind.
3.1. Gibt die Wissenschaft, welche Sie vertreten, Antworten auf diese Fragen?
– Ja, gibt sie. Der Feind Rußlands sind die globalen Geldverleiher/Wucherer und die sie bedienenden Politiker, Journalisten, Showangestellten, und zwar nicht nur außerhalb der Grenzen unseres Landes, sondern auch darinnen.
Im letzteren Falle ist die Rede von den Regressoren, welche die Wertvorstellungen, die intellektuellen und technologischen Grundlagen unserer Gesellschaft zerstören.
Aber sie sind auch nur die gesichtslosen Funktionen der globalen Matrix, die Čapekschen Salamander, von denen der Schriftsteller schrieb: „Sie kommen wie tausend Masken ohne Gesicht“.
Mit anderen Worten, der Hauptfeind ist die globale Matrix, ein bis zu planetarer Größe herangewachsenes Spinnennetz von Cheloben aus dem „Herrn der Ringe“.
Übrigens wurde die Idee einer globalen Matrix (G-Matrix) als Struktur und Mittel, welches der Weltbevölkerung eine bestimmte Denkweise aufzwingt, von den Aktivisten des Club of Rome noch im Jahre 1970 herausgebracht.
(genau aus letzterem Grunde ist diese „Idee“ sehr mit Vorsicht zu betrachten, führt sie doch weg von konkreten Verantwortlichkeiten konkreter Menschen, und hin zu einer a priori unüberwindlichen mechanistisch wirksamen Struktur, gegen die sowieso ein Aufbegehren nicht lohnt; mithin zum scheinbaren Austausch der Eigenverantwortung durch eine „kollektive Verantwortungslosigkeit“, egal ob nun „die Partei“ oder „die Matrix“ genannt – d.Ü.)
3.2. Gibt es einen Mechanismus, der die wissenschaftlichen Errungenschaften mit der praktischen Politik (oder Diplomatie, oder wer auch immer heutzutage die Aufgaben des Überlebens und der Macht löst) in unserem Land verbindet?
– Die Aufgaben des Überlebens und der Siege muß in jedem beliebigen Land vor allem die Führung des Landes lösen. (sehr unmarxistisch – wo bleiben die Volksmassen, die „Arbeiterklasse“, Herr Fursow? – d.Ü.)
Die Frage ist die, wie gekonnt und ehrlich diese das tut, und wie stark sie sich mit ihrem Land identifiziert. (ja, da können wir Deutschen viel drüber berichten – d.Ü.)
Und schließlich, wie stark bei ihr der Selbsterhaltungstrieb entwickelt ist, wieviel stärker er ist als die Gier und die Vorliebe für ein schönes Leben.
Wenn letzeres überwiegt, dann wird früher oder später die Geschichte in Form der Cheloben oder des eigenen Volkes erscheinen und mit einem unguten Grinsen sagen: „Hast du ausgesungen? Na dann, auf geht’s: los, tanze!“ Und dieser Tanz wird dann eher ein Dance macabre sein – ein Todestanz.
3.3. Gibt es in Rußland Kräfte, die zu dessen Rettung fühig sind?
– Ich hoffe das. Aber allgemein ist die Rettung der Ertrinkenden eine Sache der Hände der Ertrinkenden selbst. Wie sang man doch in der „Internationale“: „Es rettet uns kein höhres Wesen, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun. Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun.“
Wir spannen lange an, aber fahren dafür auch schnell. Also gibt es immer Hoffnung.
3.4. Wie kann man diese finden und zusammenschließen?
– Die beste Methode des Zusammenschließens ist eine gemeinsame Sache auf der Grundlage gemeinsamer Werte. Aber welche gemeinsame Sache kann es geben zwischen dem Reichen und dem Armen, dem Dieb und dem Habenichts?
(elegant um die Antwort auf den ersten Teil der Frage herumgedrückt… – d.Ü.)
3.5. Welche Ideologie muß Rußland im 21. Jahrhundert annehmen?
– Ideologien hängen nicht im Laden auf dem Haken, sie werden in blutigen und harten Krisen geboren, als Antwort auf die Frage, welche Zukunft wir für uns wollen, für unsere Kinder und Enkel.
Die großen Ideologien der Gegenwart – Marxismus, Liberalismus (verstorben 1910, nicht zu verwechseln mit dem, was heute im Westen so genannt wird, und erst recht in Rußland) und Konservatismus sind in Europa in der Zeit der Revolutionen von 1789 – 1848 entstanden.
(nun, wenn es die sog. großen Ideologien nicht können, dann vielleicht die „ganz große“ – die allgemein-menschlichen Werte und die Liebe zur Natur? – d.Ü.)
3.6. Ist es nicht an der Zeit, in Rußland einen militärisch-geistlichen Stand zu erschaffen?
– Stände werden nicht erschaffen, sie entstehen im Verlaufe der Geschichte. Ich denke allerdings, daß die Zeit der Stände, wie auch der Monarchie, vergangen ist, die haben ausgedient, vixerunt, würden Cicero sagen. Um so mehr, als es in der Geschichte Rußlands ein starkes Ständesystem, wie auch eine Aristokratie, nicht gab.
3.7. Im Verlaufe der vergangenen 400 Jahre war Rußland jeweils zu Beginn eines jeden Jahrhunderts in einen Krieg verwickelt, der seine Vernichtung anzielte:
1610er Jahre – die Große Smuta;
1710er Jahre – der Nordkrieg;
1810er Jahre – der Vaterländische Krieg gegen Napoleon;
1910er Jahre – der Erste Weltkrieg.
Ist das Zufall oder eine Gesetzmäßigkeit? Es laufen die 2010er Jahre.
– Ich kann eine andere Reihe bringen: der Liwonische Krieg (1558-1583), der mit Polen (1654-1667), der Siebenjährige (1756-1763), der Krim-Krieg (1853-1856), der Große Vaterländische (1941-1945). Deren Bedeutung ist nicht geringer, so daß es hier keine Zahlenmystik gibt.
4. Die „Hausherren der Geschichte“ bauen ihre Gesellschaftsmodelle der Zukunft. Im Zusammenhang damit entsteht eine Reihe von Fragen:
4.1. Kann jedes beliebige Modell, das sich die Menschen ausdenken, funktionieren (d.h. ist es lebensfähig)?
– Natürlich nicht jedes.
4.2. Ist jedes Modell fähig, sich zu entwickeln?
– Dasselbe.
4.3. Gibt es Kriterien, welche die lebensfähigen von den nicht lebensfähigen Systemen noch im Stadium ihrer Modellierung unterscheiden lassen?
– Ich befürchte nein. Wir können nur die Höhe der Wahrscheinlichkeit bewerten. Es kann ein schwächliches Modell geben, und die Welt rundum verändert sich, und dieses Modell erweist sich als am meisten adäquat – das ist wie die regressive Mutation in der Entwicklung von biologischen Systemen.
Und umgekehrt: es gibt ein starkes, gut angepaßtes Modell, aber die Situation verändert sich scharf, und dann kommt’s so: die Dinosaurier sterben aus, und die marginalen „Erdbuddler“ besetzen die frei gewordene ökologische Nische.
4.4. Gibt es eine Methodologie, die ein garantiert lebensfähiges System bauen läßt?
– In einer sich zielstrebig verändernden Welt sind eher Negativ-Reihen-Prinzipien möglich, d.h. was man nicht tun sollte.
4.5. Haben wir unser Zukunftsmodell?
– Momentan sehe ich es nicht. Aber im allgemeinen werden Modelle im Kampf geboren, darunter im Widerstand gegen das Böse.
5. Sie haben in Ihren Vorträgen mehrfach die Systemtheorie erwähnt. Aber eine einheitliche Systemtheorie gibt es nicht, es sind Dutzende.
5.1. Welche davon meinen Sie?
– Die Systemtheorie ist etwas universales, sie hat Untergruppen, zum Beispiel die Theorie der lebenden (syntropischen) Systeme, zu denen die Gesellschaft gehört.
5.2. Gibt es jetzt in dieser Systemtheorie eine Anlage, welche die Gesellschaft beschreibt?
– Es gibt verschiedene Theorien sozialer Systeme, zum Beispiel die Theorie der Formationen von Marx, die übrigens nicht die schlechteste ist. Oder die Theorien von Alexander Bogdanow und von Wilfredo Pareto.
6. Welche Rolle spielt die Aramäische Religion im Leben der Gesellschaft?
6.1. Was meinen Sie zur Arbeit von L.N.Tolstoj „Warum die christlichen Völker insgesamt und das russische Volk im besonderen sich jetzt in einer ärmlichen Lage befinden“?
– Tolstoj hat da offensichtliche Dinge fixiert – den Unterschied dessen, wovon gemäß den Evangelien Jesus gelehrt hat, zu dem, was das Bibel-Projekt geworden ist, an dessen Quellen der Paulus steht, und in dem in Wirklichkeit noch sehr viel vom Saulus geblieben ist.
Tatsächlich – dort wo bei Jesus die Liebe ist, steht bei Paulus und der Kirche die Angst; Jesus war im Konflikt mit der Macht, Paulus und die Kirche riefen zur Unterordnung unter diese auf.
Im Schema des Paulus ist viel vom Alten Testament, diesem „Verwundbarkeitsfenster“ des Christentums. Nicht zufällig wurde in Rußland im 19. Jahrhundert das Alte und das Neue Testament nicht in einem Band gedruckt.
Was die Unterschiede zwischen Traum und revolutionärem Drang auf der einen Seite, und der Organisation, die diesen Drang entsorgt, betrifft, so hat F. Dostojewski dem „Die Legende vom Großinquisitor“ gewidmet.
Jesus wäre wohl kaum auf den Einfall gekommen von einer Inquisition, vom Jesuitentum und von den Dogmen von der Unfehlbarkeit des Papstes.
6.2. Sind Sie mit der These einverstanden, daß nach Christus das Christentum durch die Pharisäer umgeschrieben wurde?
– Nach Christus wurde das Christentum nicht umgeschrieben, sondern erschaffen; der Vorgang der Erschaffung dauerte 150 – 200 Jahre (3. – 4. Jh. u.Z.), als ein Literatur-Korps geschaffen und aufgebaut war – nach dem Modell des Römischen Imperiums – eine Hierarchie und ein territorialer Aufbau. Es wurde das Bibel-Projekt erarbeitet, das der neuen Epoche adäquat war.
Wenn davor im Bereich des Mittelmeeres die soziale Kontrolle einen äußeren Charakter hatte – das wichtigste war die „Kultur der Scham“ und die Außen-Macht-Kontrolle („das ägyptische Modell“, das seine maximale Ausformung im Römischen Imperium und im Römischen Recht fand), so erforderten die veränderten Bedingungen eine feinere und tiefere, verinnerlichte Form der nun schon nicht mehr nur sozialen, sondern sozial-psychologischen Kontrolle – von innen heraus. Daher die „Kultur des Gewissens“.
D.h. die Welt und der Mensch am Übergang von 1000 vor u.Z. bis 1000 nach u.Z. hatten sich soweit verkompliziert, daß nur mit Gewalt nichts mehr ging.
(eine außerordentlich „mutige“ /oder abwegige?/ These – wird natürlich im weiteren nicht bewiesen; was das sog. Römische Imperium in nur 500 Jahren Existenz europaweit so alles „erschaffen“ haben soll, ist auch sehr fraglich; und zum sog. Römischen Recht hatten wir hier ja schon einiges gesagt; und das Gewissen als kulturelle Erscheinung zu interpretieren, ist doch recht abwegig – d.Ü.)
Das Bibel-Projekt ist genau jene Kombination der inneren und äußeren Unterwerfung, mit dem Primat des ersteren, wobei ein Teil der Funktionen der äußeren Unterwerfung die christliche Kriche übernommen hat, deshalb nahmen viele soziale Bewegungen eine häretische Form an.
Zum Ende des 15. Jh. hatte sich die katholische Kirche schon derart kompromittiert, und die Häretiker hatten deren Lage schon derart ins Wanken gebracht, daß sie eine neue Herausforderung in Form des Protestantismus erreichte.
Obwohl es ein Schlag gegen den Katholizismus war und diesem entgegen stand (in der Hitze bis zu den Religionskriegen des 16. bis erste Hälfte 17. Jahrhunderts, im Vergleich zu denen unser Iwan der Schreckliche ein Vorbild an Humanismus und Frömmigkeit war), hat der Protestantismus paradoxerweise das Bibel-Projekt nicht nur nicht geschwächt, sondern zeitweise sogar gestärkt.
(na logisch – das eine Hirnverkleisterungs- und Unterdrückungs-System wurde durch ein neues, scheinbar „alternatives“ ergänzt – These und Antithese – die Massen sind damit beschäftigt und werden nicht wirklich aufmümpfig gegen die ganze Unterdrückung durch beide; viel später dann die Synthese = Atheismus – d.Ü.)
Zum einen hat er eine modernere (im Sinne der Orientierung auf das Geld, auf den Erfolg und auf selektive Auserwähltheit – in diesem Sinne ist der Protestantismus die maximal judaisierte Version des Christentums), härtere und gleichzeitig einfachere Form angenommen; zum anderen wurde er eine Art Ventil für den Ausbruch der Unzufriedenen aus der Pax Catholica, was letzterer eine Beruhigung brachte.
Aber nicht für lange. Die Zeit arbeitet gegen beide Versionen des Christentums, die sich von der Orthodoxie (der Rechtgläubigkeit) gelöst hatten. Es begann eine neue Epoche, in welcher für die strukturelle und reflexive Steuerung ein institutionell ausgeformtes rationelles Wissen erforderlich war – die Wissenschaft. Und nicht zufällig waren es die Jesuiten, die in jenem Frankreich die Entwicklung solchen WIssens (zum Beispiel in Person von Descartes) unterstützten.
Im 18.- Anfang 19. Jh. durchlief das Bibel-Projekt, schon im Zerfall begriffen, noch eine Mutation: der christliche Glaube wurde entfernt, und es entstand zuerst eine Protoideologie in Form des Projektes der Britischen Freimaurer-Logen, das hauptsächlich auf französischem Boden realisiert wurde: die Aufklärung, und danach eine Ideologie in drei verschiedenen Basis-Formen: Konservatismus, Liberalismus, Marxismus.
Dies waren schon nichtreligiöse, d.h. terminale, Formen des Bibel-Projektes, die gleichzeitig sowohl als Mittel des Kampfes dienten, als auch als Formen der sozialen Kontrolle über das stark verkomplizierte gesellschaftliche Medium.
Wie einstmals die christlichen Geistlichen das Opferpriestertum (auf dem Territorium Rußlands das vedische) verdrängt und vernichtet hatten, so stürzten sich im 18.-19. Jh. die Freimaurer, die Ideologen des Liberalismus, des Marxismus und die Nazis auf die christliche Kirche.
In diesem Falle ist es sehr angebracht, sich an den Satz des Heiligen Augustinus zu erinnern, daß es „Bestrafung ohne Schuld nicht gibt“, oder: mit welchem Gericht ihr richtet… (…, so werdet auch ihr gerichtet werden“ – aber diese vereinfachte Sicht ist keinesfalls vollständig, denn es ist inzwischen hinreichend nachgewiesen, daß ALLE „weltlichen“ Ideologien, wenn sie an die Macht kamen, hervorragend mit der katholischen Kirche (dem Vatikan) zusammengearbeitet haben, einschließlich der Nationalsozialisten und der europäischen „Real-Sozialisten“ – d.Ü.)
Eigentlich muß man sagen, daß die anfängliche Schwierigkeit des Christentums, welche die Schwierigkeit der europäischen Zivilisation der Epoche der Spät-Antike (die Elemente der Antike, die jüdischen und germanischen Traditionen) widerspiegelte, daß dies gleichzeitig eine Stärke und eine Schwäche war.
Eine komplizierte Komposition kann man in Teile zerlegen. Der Islam, der ist einheitlich, den kann man nur in Stücke schlagen, aber das Christentum ist für unerwartete Mutationen anfällig.
Wie N.A. Berdjajew bemerkte, ist das Christentum anfällig für den Katholizismus, der Katholizismus für den Protestantismus, und der Protestantismus für den Atheismus (ich würde noch das Freimaurertum hier hinzufügen). Das ist eine Linie.
(richtig – daher auch der dringende Verdacht, daß diese nur scheinbar unterschiedlichen Ausformungen ein und derselben, „Religion“ genannten Ideologie jeweils nacheinander von denselben Kräften erdacht und installiert wurden, um die Massen zu beherrschen – „teile und herrsche“ – d.Ü.)
Der Katholizismus ist anfällig für die Entartung zur neopriesterischen Hierarchie. Und ist etwa der Papst nach der Annahme der Dogmen über die Unfehlbarkeit des Papstes etwas anderes als der Oberpriester eines in seinem Wesen neoheidnischen Kultes?
Und die nicht einfachen Beziehungen des Christentums und des Judentums, des vom römischen Geistlichen schon als „älterer Bruder“ verkündigten?
Ist da der „ältere Bruder“ nicht der „Große Bruder“?
Jemand sagt: und woher ist das Heidentum?
Das Christentum ist eine monotheistische Religion. Aber zum einen ist „Heidentum“ ein negativer Aufkleber, den die Vertreter der aramäischen Religionen auf alles nicht aramäische heften.
Zum anderen zweifeln die Juden und die Muslime die „feste Echtheit“ der Christen im Monotheismus an – Dreifaltigkeit, Ikonen. So ist nicht alles so einfach mit dem Christentum, und das, was dessen Expansion unterstützt hat, kann sich als ernsthaftes Problem erweisen. Überigens scheint man in jenem Vatikan das gut zu begreifen.
Gegenwärtig ist das Bibel-Projekt fast am Ende, genau wie das Phänomen der Ideologie; die Welt-Oberschicht sucht eiligst einen Ersatz. Und schon heute kann man einiges erahnen.
Einerseits zerstören die „Hausherren des Weltspiels“ heftig die Bildung und die Wissenschaft, indem sie beides in geschlossene Strukturen überführen und danach streben, die Bevölkerung zu ewigen Halbwüchsigen zu machen, denen die Kultur durch Komfort ersetzt wird, und durch das Gefühl tiefer physischer Befriedigung.
Dazu nur zwei Beispiele – das amerikanische Film- und Fernseh-Geschäft. Seinerzeit hat der Journalist D. Robinson in der Zeitung „Times“ folgendes geschrieben: „Das Jahr 1985 geht in die Geschichte ein als die finsterste Periode in der amerikanischen Kinokunst. Genau in diesem Jahr hat Hollywood nach fast siebzigjähriger Herrschaft in der Filmindustrie alle Ansprüche aufgegeben, dem gesunden Intellekt des Erwachsenen Menschen zu dienen.“
Und was hat uns die Moderatorin der recht primitiven Gesundheits-Sendung „Gesund leben“ E. Malyschewa mitgeteilt? In der Sendung „Blick zur Nacht“ (vom 11.02.2016) hat sie im Verlauf ihrer Erzählung über ihre journalistische Ausbildung gemeinsam mit anderen Osteuropäern in den VSA Mitte der 1990er Jahre gesagt, worauf man sie gelehrt hat, sich in ihren Fernsehsendungen zu orientieren: „Sie müssen das Fernsehen in der Einfachheit der Darlegung für elfjährige unentwickelte Teenager machen…“
Wenn man ihre Sendung ansieht, dann macht sie es genau so. Welch ein Kontrast zu den Gesundheitssendungen aus sowjetischer Zeit, die zum Beispiel die kluge, intelligente, wohlerzogene und weit von Selbstzufriedenheit entfernte E. Beljatschkowa gemacht hat!
Die Verwandlung erwachsener Menschen in unterentwickelte Halbwüchsige, die nicht mit dem Intellekt leben, sondern nach den hormonell-instinktiven Programmen, oder einfacher gesagt, die Debilisierung (dem dienen auch die allfälligen Talk-Shows) verfolgt ein einfaches Ziel: eine absolut unselbständige Persönlichkeit zu erziehen, die man leicht an das globale Kommunikationsnetz anschließen kann – als vollständig lenkbare „Zelle“.
Einen schöpferischen, minimal intellektuellen Menschen kann man nicht in eine “Zelle“ eines Elektronengehirns, das von Neopriestern und Techno-Magiern kontrolliert wird, verwandeln.
Andererseits werden immer mehr Mittel in die Forschungen des NBICS investiert – der Nano-Bio-Info-Kogno-Sozio-Richtungen. Die Rede ist von der Herstellung einer Fernsteuerung durch die in den schwimmenden Städten oder in unzugänglichen ländlichen Enklaven lebende Elite, und zwar der Psychosphäre der Masse der Bevölkerung.
Irgendetwas sagt mir dazu: heute in Form und unter der Maske der Fernbildung (über das Fernsehen und neuerdings auch das Internet – d.Ü.), der maximalen Verprimitivierung der Bildung selbst, welche daraus den persönlichen Teil (den Lehrer) ausschließt und das Bildungsobjekt debilisiert, werden in der Tat die Methoden und Formen der Fern-Psychokontrolle der „oberen“ über die „niederen“ vervollkommnet.
Allerdings denke ich, daß dieses Schema durchfallen wird, vor allem in Rußland. Der Kampf mit den Regressoren erfordert ein wichtiges Detail: man darf sie in keinem Falle personalisieren, das sind keine Persönlichkeiten, sondern Funktionen, Bioroboter der Matrix, äußerlich zivilisierte und oft wohlgestaltete Orks. Aber ein Ork ist ein Ork, d.h. etwas, das keinen eigenen Willen hat und von einem bösen fremden Willen getrieben wird. (wozu soll diese These dienen? unverständlich… – d.Ü.)
6.3. Ist etwa das Christentum keine Religion, die von Sklavenhaltern für Sklaven geschaffen wurde?
– Letztendlich, wenn man vereinfacht, gleichrichtet und etwa die sozialen Funktionen bestimmt, dann schon – Jesus, klar, ist etwas ganz anderes.
Aber auch Marx ist das eine, und der Marxismus etwas anderes – nicht umsonst hat Marx gesagt, daß er kein Marxist ist.
Interessant wäre: was hätte Jesus über die Schöpfer des Christensystems gesagt, geschweige denn über dessen heuten Zustand desselben? Ich denke, er würde sich erinnern an sein „nicht Frieden, aber das Schwert…“
Übrigens „Sklavenhalter und Sklaven“ kann man austauschen gegen „Feudalherren und Bauern“, oder „Bourgeois und Proletarier“. Die Christliche Kirche hat in drei sozialen Systemen existiert – dem antik-sklavenhalterischen, dem feudalen und dem kapitalistischen (und sogar im systematischen Antikapitalismus, der UdSSR, hat sie sich erhalten, allerdings in einer von den Tschekisten modifizierten Form).
6.4. Sind Sie einverstanden mit der These, daß die Verbreitung einer fremden (von einem anderen Volk kommenden) Religion der geistigen Versklavung gleichkommt?
– Natürlich, einverstanden. Das ist geistliche Diversion, wenn ein fremdes Implantat eingesetzt wird, und irgendein System (Ethnos, Staat) der Boden wird für die Selbstrealisierung Fremder.
Geliehene Götter – das ist wie ein Kredit zu einem Wucherzins, nur daß man die Schulden nicht mit Geld, sondern mit einem demolierten historischen Schicksal zurückzuzahlen hat.
6.5. In den Vorträgen sagen Sie: „Die hordische Periode war die vorteilhafteste für die Russische Orthodoxe Kirche“. Hat nicht die Annahme des Islam durch die Horde im 14. Jh. zum Vernichtungs-Kampf geführt?
– Hat sie nicht. Die orthodoxen Geistlichen haben in den Kirchen für den basurmanischen Zaren gebetet, der ihnen wohlgesonnen war. Und kaum war die Horde Vergangenheit, haben die russische Machthaber sofort die Kirche angegriffen. Die ersten Schritte in dieser Richtung hat Iwan III. gemacht, fortgesetzt haben das – heftig Iwan IV., und formal weniger stark, aber in der Sache hart Alexej Michailowitsch. Na und Peter I. hat die Form in Übereinstimmung mit dem Inhalt gebracht: die Patriarchie wurde abgeschafft, anstelle dessen wurde die Synode gesetzt, de-facto ein Ministerium für Kirchensachen.
Somit sind die Handlungen der Bolschewiki in Bezug auf die Kirche, wenn man mal von den Exzessen Lenins und Trotzkis und des Halbtrotzkisten Chrustschow absieht, durchaus im Geiste und den Traditionen der russischen Machthaber. In Rußland war seit den Zeiten des mit Lügen überschütteten Iwan des Schrecklichen die Kirche stets bei der Macht, der Selbstherrscher stand über den kirchlichen Hierarchen, denen man, falls nötig, sehr schnell ihren Platz zuwies. Daher hat die Kirche 1917 auch die Februarleute unterstützt, im Vorgeschmack auf die Freiheit von der obersten weltlichen Macht.
Nicht gerade weitsichtig: bald darauf haben die Bolschewiki ihnen das erklärt. Übrigens, zur gleichen Zeit, nur viel tierischer (lateinamerikanisches Temperament) haben die mexikanischen Revolutionäre ihre katholischen Geistlichen deren historische Fehlsicht erklärt. Die Tragik ist, daß in beiden Fällen – im russischen wie im mexikanischen – viele durch nichts schuldige einfache Geistliche gelitten haben.
6.6. Paßt die Rechtgläubigkeit (Orthodoxie) für uns als Staats-Ideologie?
– Die Rechtgläubigkeit paßt nicht als Staats-Ideologie aus mehreren Gründen. Zum einen sind Religion und Ideologie prinzipiell unterschiedliche Formen der Ideen-Organisation; die Ideologie ist in ihrem Wesen die Verneinung der Religion; die Übereinstimmung in den Funktionen ist in diesem Falle unwichtig. Zum anderen, wie W.G.Belinskij gesagt hat, ist der russische Muzhik nicht religiös, sondern (aber-)gläubig.
Übrigens, bis zur Mitte des 17. Jh., bis zur Reform des Alexej-Nikon lag auf der russischen Rechtgläubigkeit ein starker Abdruck der vedischen „Religion“. Bis zu diesem Umschwung gab es die Formel „ich bin der Sklave Gottes“ nicht, anstelle dessen sagte man „ich bin der Knabe Gottes“, d.h. der Nachkomme Gottes. Das ist eine typische Formel der vedischen „Religion“ der Slawen, in der die Götter die Vorfahren der Menschen sind.
Und zum dritten hat in Rußland das Jahr 1917 sowohl unter der Rechtgläubigkeit wie auch unter der Monarchie einen Strich gezogen – vixerunt (überlebt). Interessant ist, daß sobald man nach der Februarrevolution den Soldaten erlaubte, nicht mehr zur Messe zu gehen, mehr als 80% aufgehört haben dies zu tun – solch ein „Gottesträger-Volk“ war das.
Überhaupt ist bei uns die Vorstellung vom russischen Menschen von wenigen Schriftstellern geformt worden, welche den russischen Muzhik praktisch nicht gekannt haben. Dies sind vor allem Leo Tolstoj und Fjodor Dostojewskij, deren Phantasien (im einen Fall helle, im anderen kranke, „nächtliche“) wir für die Realität halten.
Lesen sollte man in dieser Richtung vor allem N. Leskow, teilweise G. Uspenskij und A. Tschechow, noch weniger I.Bunin. Aber das nur nebenbei.
Zum vierten ist Rußland ein multireligiöses Land, ganz davon zu schweigen, daß wir massig Atheisten haben (ich zum Beispiel bin Atheist). Und daß viele ehemalige kommunistische Natschalniki (Führungskader) mit der Kerze in der Kirche stehen, das ist bei denen einfach nur der Ersatz für das Partei-Mitgliedsbuch. Früher war das Partei-Mitgliedsbuch, heute ist anstelle dessen die Ikone und die Kerze. Wie Awwakum sagte, „nach gestrig war’s d‘ verloren Sohn, und nunmehr ist’s d‘ Bruderle“.
Und fünftens geht die Zeit der Religionen in der ganzen Welt zu Ende; der gegenwärtige Ausbruch des Islamismus ist eine politische Erscheinung, das sind rückwärtige Kämpfe.
(Fortsetzung folgt)
Pingback: Die künftige Welt-3 | Sei herzlich Willkommen beim Dude
Pingback: Die künftige Welt-4 | Sei herzlich Willkommen beim Dude
Pingback: Leise Waffen für ruhige Kriege | Sei herzlich Willkommen beim Dude