Meisterlicher Jahresrückblick von Gerhard Mersmann

Normalerweise sehe ich mir ja keine Jahresrückblicke an, zumal mir zu ebendiesen meist lediglich ein sehr alter und wohlbekannter Spruch von Miss Sophie in den Sinn kommt:

Same procedure as every year, James!

Umso mehr freut es mich natürlich, euch nachfolgend – mit freundlicher Erlaubnis des Autors – einen etwas anderen, genialen und daher ausnahmsweise auch wirklich sehr lohnenswerten Jahresrückblick von Gerhard Mersmann anbieten zu dürfen. Vielen Dank Gerhard!


Die Macht und der Schein

Nun wird wieder einmal Bilanz gezogen. Das alte Jahr nähert sich seinem Ende, in den Medien sind die Rückblicke längst zusammengestellt und die Printmedien, die sich diesem Thema widmen, liegen längst auf den Wühltischen des aldisierten Buchhandels.

Symptomatisch für unsere Zeit ist nicht die Tatsache, dass zu bezahlende Medien sich des Rückblickes versuchen. Symptomatisch für unsere Zeit ist, dass diejenigen, die das letzte Jahr bewusst miterlebt haben, selbst ein persönliches Fazit nicht ohne manipulative Unterstützung mehr anstellen. Das, was die Kerners, Lanzens und Beckmänner in den TV-Medien kredenzen werden, wird wie jedes Jahr ein Trash aus Herzschmerz und handfester politischer Demagogie sein, die aus der repressiven Kraft der political correctness gespeist werden wird. Neu wird es nicht sein, die Frage, die letztendlich interessiert, ist die, wie lange diese schlecht gemachte Propaganda noch ohne Revolte durch den Äther dringen mag.

Sähen wir uns das letzte Jahr aus unseren eigenen Augen an, so würden wir etwas ganz anderes zu beschreiben haben, als es die Jahresrückblicke tun. Wir hätten es mit einer anderen wirtschaftlichen Wirklichkeit zu tun, als die täglichen Nachrichten suggerieren. Da spielten ganz plötzlich andere Menschen eine Rolle als Aktionäre, Banker, Berater und Manager. Da tauchten allein erziehende Frauen auf, die 48 Stunden pro Woche in einer Bäckerei arbeiten und dafür monatlich 1.200 Euro verdienten. Oder Akademiker, die Werbetexte korrigieren und pro Seite dreißig Euro bekommen. Wir sähen die Akteure des Sports in einem anderen Licht, die jenseits der Hochleistungsakrobatik und des Spitzenverdienstes an jedem Wochenende an ihre Grenzen gehen, die nicht nur da liegen, wo die eigene Physis sie setzt, sondern auch dort, wo die Notwendigkeiten des Lebenserwerbs beginnen. Wir sähen die Armseligkeit derer, die sich als die Mächtigen ausgeben und die Unverfrorenheit derer, die die Macht tatsächlich haben.

Wir sähen die Unterschiede des monetären und des spirituellen Reichtums. Und wir sähen die Entwicklung zur Expansion der monetären Prosperität und den tendenziellen Fall des spirituellen Wohlbefindens. Die zunehmende, fast flächendeckende digitalisierte Taktung unserer Arbeitsprozesse würden nämlich freigelegt von dem ganzen ideologischen Unsinn von Autonomie und als das identifiziert, was es tatsächlich ist: Die Ausweitung und durchperfektionierte Kontrolle, die Liquidierung jeglicher Selbstbestimmung und die inquisitorische Verfolgung des freien Willens. Es würde deutlich, wie uniform das digitalisierte Zeitalter geworden ist, wo aus jeder Fernbedienung und jedem Sensor ein Programm lauert, das standardisiert und vereinheitlicht. Und es würde wie die Schuppen von den Augen fallen, dass bei allem Individualisierungsbrimborium nur noch serienmäßige Stereotype geduldet werden.

Ein Rückblick wie dieser wiche doch in hohem Maße ab von der propagandistischen Aufbereitung. Und er ließe Schlüsse zu, die die Medien systematisch verhindern. Es würde nämlich die ganz einfache Wahrheit ersichtlich, dass unser Wunsch nach Freiheit und Gestaltung, nach Selbstbestimmung, Glück und Gemeinschaft in der Welt der gegenwärtig Mächtigen nur noch als Chiffre besteht, als Illusionspops in einer virtuellen Welt, die die tatsächliche Lebenspraxis gar nicht mehr repräsentiert. Und dann würde klar, dass der permanente Widerspruch von Illusion und Wirklichkeit dazu führt, dass wir tendenziell den Verstand und ein unverbrüchliches Gefühl für Gut und Böse verlieren, wenn wir dem Spuk nicht schleunigst ein Ende machen. Das, was unser Leben ist, muss das Zentrum unserer Betrachtung sein. Alles andere ist Mystifikation!

Quelle: http://form7.wordpress.com/2013/12/12/die-macht-und-der-schein/


Leseempfehlung:

5 Kommentare

Eingeordnet unter Bewusstsein, Bildung, Dreckskapitalismus, Freiheit, Fremdartikel, Gedankenkontrolle, Kurzclips, Manipulation, Medien, Menschen, NWO, Philosophie, Schönes, Schuldgeld, Sinn, Weisheit, Zitate

5 Antworten zu “Meisterlicher Jahresrückblick von Gerhard Mersmann

  1. alfhasolis

    -hervorragend auf den Punkt gebracht
    -30 Euro für eine Seite Korrektur: Viele bekommen/nehmen viel weniger
    =>normale Textseite
    -Sterile NWO-Nachrichten aus sterilen Nachrichtenstudios mit aseptischen Sprechern und Sprecherinnen. In der ARD kommt seit einiger Zeit hinzu,
    dass sich die Sprecher nicht mehr bewegen dürfen, nur noch die Schandmäuler, als hätten sie einen Stock im Kreuz.

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  2. @alfhasolis

    Köstliche Ergänzung! 😀
    Naja, kein Wunder sind die Tarife so hoch, wenn man sich die Sprachfähigkeiten der Generation Facebook so ansieht… 😉

    Ps. Wenn ich inhaltiche Meisterwerke verartikelisieren darf, übernehme ich übrigens sogar die Lektorierung gratis. 😉
    Pps. Bei Gerhard – seines Zeichens Meister der Sprache – war das selbstverständlich nicht von Nöten. 🙂

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  3. Ich habe Gerhard Mersmann eben auf seinem Blog meine Anerkennung ausgesprochen.
    Ein knackiger Text, fürwahr, man merkt den Meister. Schonungslos auf den Punkt. Und das mit einem klaren, eleganten Duktus, der den ganzen Beitrag neben dessen Inhalt wie ein weiterer roter Faden durchzieht.
    Hut ab.

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  4. Ich habe den Artikel eben auch bei mir empfohlen und verlinkt und noch etwas anmoderiert.
    Diesem Werk ist viel, viel Verbreitung zu wünschen.
    http://unzensiert.zeitgeist-online.de/2013/12/16/gerhard-mersmanns-jahresdraufblick-2013/

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  5. Auch ich bin beeindruckt, habe ihn verlinkt und in meinen persönlichen Zusammenhang gestellt:

    http://www.neukölln.org/sudelbuecher

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